Maria
Queen of Deadlines
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Titan
    
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« Antworten #15 am: 30. Mai 2007, 05:25:18 » |
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Conbericht: Clanthia Festival
25-28. Mai 2007
SOLAR Orga (kommerzielles Larp, i.e. mindestens eine Person lebt davon, Larps zu veranstalten)
Hard Labor State Park, Camp Rutledge, Atlanta, Georgia
Kostenpunkt: 20 Dollar (Newbie-Preis, ansonten 55$)
Teilnehmer: 120, bis auf Orga und ein paar Leute in der Küche alles Spieler
Location: Sehr, sehr schön. Ist am Rande eines Naturparks, sehr hügelig, mit Badesee in 5min Geh-Entfernung. Die Unterbringung war in simplen 4-6 Bett-Holzhütten, die aber über Strom verfügen. Immer 8-10 Hütten als Gruppe, über die Hügel verteilt, mit Waldwegen und Pfädchen dazwischen. In der Mitte ein großer Versammlungssaal und andere Häuser, die als Gildenhäuser, 'Monstertown', sprich Fundus, oder als 'Raucherhaus' genutzt worden. Eine Duschhütte (mit leider nur einer Dusche, 3 Toiletten) pro Hüttengruppe. Alles sehr rustikal, sehr Spinnen- und Käferverseucht und ohne viel Licht nachts.
Verpflegung: Wegen des Festivals gab es Freitags Essen umsonst (Fertigzeug und fertig gekaufte Rohkostplatten), danach Fast food aus der Küche (sprich: Hot dogs, Burger, Corn dogs, Fritten, Würstchen). Absolut unpassend, aber dafür billig (fast Einkaufspreis). Wasser stand immer zur Verfügung (eisgekühlt, großes Plus). Negativ: Einweggeschirr, Coladosen und überall Müll. Keine Bemühung, das Festmahl nett zu gestalten, das blieb in den Aluschüsseln.
Plot: Äh ja? Was? Also, am Freitag nachts gab es Angriffe (alle möglichen Viecher, je nachdem, was die SL rausschicken wollte, es kommt weniger auf die IT-Begründung als die Machtstufe an. "Hmm, zu viele Magier. Schicken wir halt 'Magievampire' raus). Am Samstag gab es jede Menge Turniere, teilweise ganz lustig. Einzelkampf, Gruppenkampf, Bogenschützen auf Ziel, Bogenschützen Battle Royale, Wettläufe, Schnitzeljagd, Kuchenbackwettbewerb, Weinkost (Alkohol ist verboten, daher wurde das mit Saftmischkreationen dargestellt). In der Nacht dann wieder Angriffe, eine Feldschlacht mit Dark Gnomes und Untoten, danach kamen dann sog. "Ancients", ein uraltes Magievolk, deren Geister Spieler besessen hatten. Das hört sich spannender an, als es ist, denn wirklich viel Rollenspiel war nicht dahinter und vor allem war das nur so "Ihr seid zu dumm, ihr habt die Ebenen durcheinandergebracht, daher machen wir das jetzt". Rituale sind absolut albern, man muss sich nur ne halbe Stunde mit ner Schriftrolle zurückziehen und dann nochmal mit der Ritualbeschreibung, um sagen zu können, was für einen Effekt die Magie hatte. Ist also nur ne Zeitfrage, nicht wirklich ausgespielt. Etwas spannender wurde es, als bekannt wurde, dass die Heilergilde vom Chaos vergiftet war, Chaoswesen auftauchten und die große Spielerdiskussion der Magier losging, wie man das beheben kann - darin sind amerikanische Larper genau wie wir. Was daraus geworden ist, keine Ahnung. Das war aber auch ein von Spielern, die sich freiwillig im Plotteam engagieren und Geschichten für Gruppen schreiben, angestoßener Subplot. Die Geschichte und Bespaßung der Allgemeinheit beschränkte sich auf die Monsterwellen und das Festival.
Naja, kann sein, dass ich als Newbie ohne Gruppenzugehörigkeit all die Action zwischen den Gruppen, also das PvP, nicht mitbekommen habe. Kann sein, dass das das Spiel erst spannend macht. Elena, das Mädchen, das mich mitgenommen hat, ist jedenfalls 4 mal während dieses Cons von Spielern umgebracht worden. Dazu muss man sagen, dass Sterben schwierig ist, weil es einen billigen Wiederbelebungsspruch - "I grant you the gift of life" - platsch mit Wurfsäckchen, dann steht man wieder - und einen Respawn-Circle für Spieler (in der Heilergilde, dann verliert man eines der vier Leben, die man während eines Cons als Newbie hat, Spieler höherer Level haben manchmal 30 Leben. Getötet wird also ständig, richtig gestorben nie! Außerdem gab es sogenannte "Module", eine Art Plot nur für eine bestimmte Gruppe, die dann von den Plot-Personen geleitet wird, die sie sich ausgedacht haben. Meist ist das sowas wie: XY heuert euch an, um Monster XYZ zu töten. Und darauf folgt eine Pen&Paper artige Telling-Session mit Monsterangriffen. Ungefähr wie der Einbruch in die Underdarks in Novo Caledonia, den Lars mal mitgespielt hat. Ich war Teil eines Newbiemoduls, wir sollten bei einem Spiel zwischen Feen und Brownies mitspielen, die sich gegenseitig eine Diamanten-Schneeflock abjagen. Sah so aus, dass uns der Weg in eine Höhle (sprich: Weg zwischen zwei Hütten) beschrieben wurde, wir Brownies verprügeln mussten (4 NSCs, die immer neue Brownies darstellten) und ansonsten klassische Pen&Paper Rätsel lösten - und dafür am Ende eine Belohnung in Form von Papierzettelchen mit Magic Items bekamen.
Regelwerk: Sehr Pen&Paper. Es gibt soviele verschiedene Ansagen während der Kämpfe und Statusregeln (Beispiel gefällig "Ich bin tot/gemeuchelt/slayed/waylaid/-4 Punkte.."), das kann man sich nicht merken. Vorteil: Mehr Fähigkeiten, die sich Spieler kaufen können. Magie wird mit den bereits erwähnten Wurfsäckchen dargestellt, dazu ein festgeschriebener Spruch. Vorteil: Fairness, Gegner darf den Säckchen ausweichen, Blocken geht nicht und jeder kennt die Sprüche. Nachteil: Absolut kein Rollenspiel, das lustlose Hersagen eines Standard-Verbals entbehrt jeder Dramatik. Dasselbe gilt für Gifte, Alchemisten mit Gerätschaften habe ich nicht gesehen, Rüstung reparieren und Heilen wird alles nur über den Zeitfaktor, Geld und OT-Papiertags geregelt. Teilweise war das unglaublich grauenvoll. Ich hatte jemanden untersucht (und dabei die Regeln gebrochen, weil ich ihm meine Hand auf den Arm gelegt hatte -huh, böser Körperkontakt), war von ihm mit einer Krankheit angesteckt worden, die dann von einem Spieler mit einem Stups mit seinem "magischen" Schwert und einem gelangweilten "Purify" beendet wurde. Lustig daran war, dass ich die Krankheitssymptome (Fieber, Erschöpfung) vorher ausgespielt hatte und die Leute um mich herum prompt angenommen haben, ich wäre tatsächlich krank. Aber bis mir auffiel, dass sie sich OT, und nicht IT Sorgen machten... Verschiedene Erwartungshaltungen. Ansonten gibt es sehr viele magic items, sehr viele Foki, die wie gesagt, meist nur durch OT-Zettelchen, die man sich an seinen Gürtelring tut, dargestellt werden. Dieser Ring trägt Abreisszettelchen, jedesmal wenn man zaubert oder seine Rüstung runtergeschlagen wird, wird davon abgerissen (erinnert sich hier jemand noch an die erste DragonSys-Version? Die haben das glaub ich damals auch von NERO und Amtgard abgekuckt).
Organisation: Check-in war absolut durchorganisiert, das ging sehr gut, daran merkte man, dass das Spiel schon ziemlich etabliert ist. Zwischendurch war es ziemlich schwer, offizielle Personen zu finden, obwohl ich irgendwo Funkgeräte gesehen habe. Aber da die Küche zentral und 24h besetzt war und man auch langjährige Spieler fragen kann (es gibt hier tatsächlich Larper, die seit 15 Jahren spielen!), kein so großes Problem. Check-out waren Briefumschläge und Formulare zum Selberausfüllen, weil es eine zentrale Charakterdatenbank gibt und die Organisatoren beruflich nichts anderes machen als Larp. De eingereichten Punkte und Items werden dann eingetragen. Positiv war, dass es ein zwar sehr inflationäres, aber doch funktionierende Geldsystem gab, d.h. ich habe mit Kalligraphie und Massage tatsächlich Geld verdient. Negativ ist, dass das Geld WoW-mäßig vom Monster slaying kommt, weil die Monster immer items und Münzen an die Spieler geben, wenn sie getötet werden.
Ambiente: Und hier kommt ein sehr dickes Minus! Hingen in der Taverne und an den Hütten noch Fahnen und Banner, so zerstörte der Müll (Plastikflaschen, Plastikteller, Servietten, Dosen, Zigaretten) und Anachronismen absolut das Bild. Plastikcampingstühle, Elektronische Tischventilatoren (stellt die doch bitte wenigstens in eine Ecke). Egal, ob Hütten viel bespielt worden oder nicht, es wurde sich überhaupt keine Mühe gegeben, modernen Kram zu verbergen. Und zu einer Szene fuhren doch tatsächlich Spieler im Auto, mit lautem Hiphop - der Fairness halber sei erwähnt, dass die anderen Spieler das auch scheiße fanden. Es gab keine dekorierten Orte, keine Artefakte, keine Plotwichtigen Gegenstände, keine NSC-Kostüme. Was da war an Deko, war von den Spielern selbst mitgebracht worden. Und wie bereits erwähnt, wurden Monster nur mit Waffen und Überwürfen (mit Kopfloch) ausgestattet. Die Darstellungsarmut war so immens, dass ich mit meinen - ziemlich lausigen, weil eingerostet, im wahrsten Sinne des Wortes, meine Feder war oxidiert- Kalligraphieversuchen mächtig Aufmerksamkeit erregte. Special Effects gab es natürlich keine. Halt, doch, ein paar NSCs bekamen in der Nacht Knicklicht über die Augen geklebt. Cool, aber nichts, was wir nicht auch schon gehabt hätten.
Sonstiges: Jeder musste irgendwie mal mithelfen. Entweder drei Stunden lang Monstern oder 5 Stunden Taverne. Wer mehr helfen wollte, bekam dafür auch mehr Erfahrungspunkte. Monstern war für mich, die ich ziemlich verwöhnt bin, selbst als Springer-NSC, ziemlich nervtötend. Goblins zu spielen, die Boote aus Rinde und Blättern bauen und damit als "Flotte von Commander Cheese und Hamburger" auf den Platz zu laufen, war ja noch witzig - aber die Gruppe, der ich mich angeschlossen hatte, war eine zusammenhängende Truppe, die Schmiedegilde, mit der ich auch sonst rumgehangen habe, weil sie etwas mehr Rollenspiel betrieben.
Und alles, was Amerikaner von ihren Kämpfen behaupten, stimmt nicht. Man darf mit Boffern nicht fester zuschlagen, sondern muss genauso abstoppen. Man darf nicht damit stechen. Und soviel Kopfschläge bei einem einzelnen Kampf habe ich auch noch nicht abbekommen, mir klingelten danach die Ohren. Ok, das letztere kann auch daran liegen, dass ich, ganz deutsch, die Treffer ausspiele und somit zu Boden gehe, was Amis nicht machen. Die spielen eben nichts aus, bleiben aufrecht und gehen dann auf ein Knie und legen die Waffen auf den Kopf um zu zeigen, dass sie zu Boden fallen. Im Übrigen: Faust auf den Kopf legen, was in Silbermond ja Unsichtbarkeit bedeutet, ist hier das Zeichen für "OOG"=OT. Und Bofferkampf ist ein einziges Gehacke mit Stakkatoschlägen aus dem Handgelenkt. Weil es nie genug NSCs für die überpowerten Spieler gibt, sieht jeder Kampf wie ein "Meat grinder" aus. Ein NSC in der Mitte und die SC schlagen von allen Seiten drauf. Unschön like hell. Posing? Ausgespielte Wucht? Könnt ihr vergessen. Und dann dieses blöde "Temagic!Temagic!" (=ten, magic). Damage calls sind so grauenvoll und so dermaßen albern.
Fazit: Ein paar Dinge finde ich nicht so verkehrt für Punktesysteme - wie die Abreißkarten für Magier und die Skill rings. Auch die Vorteile des Magie-Wurfsystems sind nicht von der Hand zu weisen. Die amerikanische Version des Stop-Befehls ist sogar besser als die deutsche: Alle bis auf SL und Person, die es ausgerufen hat, müssen auf ein Knie runter und summen. So kann sofort gesehen werden, woher es kam. Und die breiten weißen/orangen Stirnbänder machen es einfacher zu erkennen, wenn jemand OT/nicht kampffähig ist, als unser Armekreuzen oder unsere Schärpen. Die Minderjährigen (sprich: unter 18) haben mich, bis auf die kleinen Kinder (sprich: unter 14) von denen aber auch nur zwei da waren, nicht gestört und die Kostüme waren besser als erwartet.
Aber trotzdem ist diese Form des Larps nichts für mich. Ich habe mich den Großteil der Zeit sehr wie auf einem größeren Deus Diffido gefühlt - Insider erkennen auch die Parallelen. Dass von 120 Spielern nur 4 zu meinem Tanzkurs gekommen sind und mir andere Spieler, die versucht haben, Handwerker darzustellen, dasselbe erzählt haben, nämlich dass niemand Mühe honoriert, weil es ein elendes Powergaming ist, gefällt mir überhaupt nicht. Mag sein, dass die Interaktion zwischen Spielern die nötige Spannung liefert, aber ich habe es dann doch lieber epischer, dramatischer, filmischer und vor allem visuell aufwändiger. Deutsches Larp ist, was Ausspielen angeht, SOLAR auf jeden Fall auf Jahre voraus.
So, und morgen melde ich mich fürs Grenzbrück an...
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